Kühles Helles, gehaltvolles Dunkles oder lieber ein schnelles Kölsch? Wird hierzulande Bier gebraut, dann ausschließlich nach dem Reinheitsgebot von 1516, dem ältesten, noch gültigen Verbraucherschutzgesetz der Welt. Denn im Gegensatz zum Ausland dürfen in deutsches Bier nur Wasser, Hopfen, Malz und Hefe. Zusätze wie künstlichen Aromen, Enzyme oder Konservierungsstoffe müssen draußen bleiben. Wir haben international Brauereien gefunden, die dem deutschen Vorbild folgen.
Reinheitsgebot: Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen
Eines vorweg: Die Recherche war keine einfache, sie ähnelte vielmehr der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Denn das meiste Bier gemäß dem Reinheitsgebot ist schlicht aus Deutschland importiert. Das wiederum nutzt den Brauern hierzulande: Mit 16 Millionen Hektolitern im Jahr 2015 ist die Bundesrepublik größter Bierexporteur Europas und viertgrößter weltweit.
Bier international: Historisches am Zuckerhut
Überrascht wurden wir in Brasilien. Hier werden gleich zwei Biermarken nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut: Brahma und Antarctica. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber dennoch: nicht Brasilianer, sondern europäische Immigranten stecken dahinter. Brahma wurde erstmals 1888 von Joseph Villiger aus der Schweiz gebraut. Der Biername hat übrigens nichts mit der gleichnamigen Hühnerrasse oder dem hinduistischen Gott Brahma zu tun, sondern geht auf die Abkürzung von „Brauhaus Maschke“ zurück. Hinter Antarctica steckt der Wiesbadener Braumeister Louis Bücher, der das leichte Pilsener 1885 entwickelt hat. Mittlerweile gehören sowohl Brahma als auch Antarctica zur südamerikanischen Brauerei AmBev.
Bier international: Spanien, Kanada und Mogelpackung in China
Die spanische Biermarke San Miguel feiert das „Ley de la Pureza“ schon seit 1993 mit einem auf den Namen „1516“ getauften Bier. Und auch die kanadische Okanagan Spring Brauerei bietet einen gleichnamigen Gerstensaft an. Ganz unzurecht erfreut sich das chinesische Bier Tsingtao seinem Ruf, nach dem Reinheitsgebot gebraut zu sein. Anfang des 20. Jahrhunderts war das vielleicht korrekt, mittlerweile wird Tsingtao allerdings Reis zugesetzt. Das wars dann auch mit dem Reinheitsgebot.
Bier international: Hallertauer Hopfen im Westjordanland
Eine fast unglaubliche Entdeckung machten wir nahe Ramallah im Westjordanland: Hier steigt seit zehn Jahren eine Nahost-Variante der Münchner Wiesn mit Bier, gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot.
Initiator des Oktoberfestes ist die Brauerei Taybeh, die 1995 von Nadim Khoury als erste palästinensische Brauerei im Westjordanland gegründet wurde. Khoury begann während seines Studiums in den USA mit dem Bierbrauen. Nachdem er Anfang der 90er Jahre samt Familie in sein Heimatdorf Taybeh zurückgekehrt war, gründete er die gleichnamige Brauerei. Fünf Biersorten gibt es mittlerweile: Helles, eine Art Altbier (Amber), dunkles Klosterbier (Dark), Leichtes und Alkoholfreies, speziell für Muslime. Das Produktionsvolumen liegt bei 500 bis 600 Tausend Liter pro Jahr, Abnehmer sind Israel, Europa und die USA. Deutsch ist an Taybeh Bier übrigens nicht nur das Reinheitsgebot, sondern auch der Hopfen. Den importiert Khoury aus dem Hopfenanbaugebiet Hallertau in Bayern.
Bestes Wasser für bestes Bier
Für die Einhaltung des Purity Law garantiert auch Eric Berzins, Chef der Fort Hill Brewery. Bewundernswert konsequent zeigt sich Berzins darüber hinaus bei der Wahl der Inhaltsstoffe. Um an bestmögliche Zutaten für sein Bier zu gelangen, ließ Berzins die Wasserqualität über den Standort seiner Brauerei entscheiden. Mehr als 60 Optionen quer durch die USA hat er sich angesehen. Das beste Wasser fand er 2010 in Easthampton, einer Stadt westlich von Boston im Bundesstaat Massachussetts. Den Hopfen baut Berzins selbst auf dem Firmengelände an.
Elf erlesene Biersorten hat die Fort Hill Brewery im Angebot, allesamt ungefiltert und auf natürliche Weise mit Kohlensäure versetzt. Sogar das berühmte Bamberger Rauchbier braut Berzins, neben Märzenbier, Pale Ale, Weißbier und Lager.
Wenn der Aussteiger als Brauer wieder einsteigt
1000 Kilometer weiter südlich gründete John Marrino seine Brauerei The Olde Mecklenburg Brewery. Seine Geschichte liest sich wie der viel beschworene American Dream: Marrino arbeitete 16 Jahre lang für ein deutsches Unternehmen in Charlotte, North Carolina. Während dieser Zeit verbrachte er auch vier Jahre in der Bundesrepublik und kam dabei in den Genuss verschiedenster Bierspezialitäten.
Nach der Rückkehr aus Deutschland hatte Marrino keine Lust mehr auf das Angestelltendasein in einem Großkonzern und ging mit seiner Familie auf eine mehrmonatige Wohnmobiltour durch die USA. Eines Abends las er über einen Mann, der eine fast zerstörte Brauerei in New England wieder aufgebaut hatte. Marrino vermisste das deutsche Bier und bedauerte, dass es in seiner Heimatstadt Charlotte, im Mecklenburg County, keine Brauerei gab. So kam eines zum anderen und 2009 öffnete Marrino die Tore seiner eigenen Brauerei.
Bockbier auf dem Mecktoberfest
Seine guten Erfahrungen mit dem deutschen Gerstensaft veranlassten Marrino dazu, ausschließlich nach dem Reinheitsgebot zu brauen. Auch den deutschen Biersorten ist er treu geblieben: The Olde Mecklenburg Brewery braut Altbier, Weißbier, Dunkles und Bockbier. Und zum hauseigenen Oktoberfest wird Festbier ausgeschenkt.
Der Erfolg gibt ihm Recht: The Olde Mecklenburg Brewery ist heute die größte einheimische Brauerei im Bundesstaat North Carolina und produziert rund 2,2 Millionen Liter Bier jährlich. Zur Brauerei gehören ein Restaurant und ein Biergarten, der sich über eine Fläche von vier Fußballfeldern erstreckt. Geöffnet ist die Brauerei täglich ab 11 Uhr und zahlreiche saisonale Veranstaltungen, vom „Mecktoberfest“ bis hin zum Weihnachtsmarkt, runden das Programm ab. Cheers und Prost – gemäß dem Reinheitsgebot!
Bildnachweise in der Reihenfolge des Erscheinens:
- Titelbild Bierkrüge. Bild: TiBine via Pixabay
- Das Reinheitsgebot regelte im Jahr 1516 nicht nur die Inhaltsstoffe, sondern auch den Bierpreis. Bild: © Thomas Cizauskas „500 years of Reinheitsgebot“ via Flickr, licensed under Public Domain Mark 1.0
- Bierbrauen ist ein aufwendiger Prozess. Gemaischt wird in kupfernen Sudkesseln. Bild: tiburi via Pixabay
- Das Ergebnis entschädigt allemal für die Mühe. Bild: Alexas_Fotos via Pixabay
- In Brasilien gibts einige Schluck mehr: Antarctica in der 600ml-Flasche. Bild: © Marc Hillary „#antarctica“ via Flickr, licensed under CC BY 2.0
- Dunkles Weißbier von Brahma – im scheinbar viel zu kurzen Glas. Bild: © Thamy Cavassani „DSCN0725“ via Flickr, licensed under CC BY 2.0
- K.-o.-Kriterium Reis: Tsingtao aus China entspricht nicht dem Reinheitsgebot. Bild: © azchael „Tsingtao at Zhuhay Walking Street“ via Flickr, licensed under CC BY 2.0
- Bis zu 600 Tausend Liter Bier produziert Nadim Khourys Brauerei Taybeh pro Jahr… Bild: © Michael Swan „Khourys“ via Flickr, licensed under CC BY-ND 2.0
- … und erfreut damit Einheimische wie Besucher. Bild: © Andrzey Wojtowicz „Bethlehem Taybeh Beer“ via Flickr, licensed under CC BY-SA 2.0