„Wen der Anflug auf Kapstadt kalt lässt, der sollte sich einmal vom Kardiologen durchchecken lassen und schauen, ob die Pumpe noch anständig funktioniert“. So dachte ich, als ich nach dem langen Flug von München über Dubai den ersten Blick auf die „Mother City“ erhaschte. Der Blick auf die Kulisse aus der Luft ist atemberaubend: Der Tafelberg, das Wahrzeichen der zweitgrößten Stadt Südafrikas, ragt prominent aus dem wunderschönen Panorama aus Sonne, Meer und Hinterland empor. Und kaum hatte ich diesen Anblick verinnerlicht, war mein Entschluss gefasst: Der Tafelberg wird per pedes erklommen – auch wenn die Seilbahn sicherlich der einfachere, bequemere und schnellere Weg ist.
Viele Wege führen auf den Tafelberg
Da ich aus beruflichen Gründen in Stellenbosch und somit allein unterwegs war, machte ich mich für mein Unterfangen „Tafelberg-Bezwingung“ im Internet auf die Suche nach geführten Tagestouren. Vorab gesagt: Es gibt verschiedene Aufstiege auf den Tafelberg und viele sind auch ohne professionelle Begleitung gut machbar – immerhin ist der Tafelberg nicht das Matterhorn. Jedoch wollte ich nicht nur oben ankommen, sondern auf dem Weg dahin etwas über Kapstadt, den Tafelberg selbst und die Tour erfahren. Glücklicherweise bekam ich von einer Freundin einen Tipp und entschied mich, die Tour mit Binny Ridgway von „Ridgway Ramblers“ zu unternehmen. Und das war eine sehr weise Entscheidung!
Nun ging es darum, welcher der unterschiedlichen Hiking Trails der richtige für mich sein würde. Mein ausgeprägtes Ego schrie nach sportlicher Belastung, mein Geist forderte Entspannung und Erholung. Doch am Ende war der ausschlaggebende Faktor für die Wahl der „Skeleton Gorge“ ein ganz anderer. Die „Skeleton Gorge“ (wörtlich übersetzt heißt dies so viel wie „Schlucht der Skelette“) hat gegenüber anderen Trails, wie z.B. der „Platteklip Gorge“ oder „India Venster“, den Vorteil, dass man den Table Mountain aus allen Perspektiven erlebt und somit in den Genuss des vollen Panoramas kommt. Und genau das wollte ich!
Der frühe Vogel fängt den Wurm
Früh am Morgen um 07:00 Uhr traf ich mich mit Binny und einem weiteren Mitstreiter am Fuße der Seilbahnstation – denn runter würde es mit eben dieser gehen. Von dort fuhren wir zum Startpunkt des Trails, direkt im Botanischen Garden Kapstadts, den Kirstenbosch Gardens. Das Wetter war perfekt, nicht zu heiß und keine Wolke am Himmel. Nicht unbedingt selbstverständlich für das Wahrzeichen Kapstadts; hüllt sich der gute Tafelberg doch zu gern in eine dichte Wolkendecke, die einen Aufstieg unmöglich gemacht hätte.
Schon in den Kirstenbosch Gardens hatte Binny mein Herz gewonnen. Die drahtige, gebürtige Britin kennt dort jeden Baum und Strauch und das sind nicht gerade wenige. Zudem liebt sie nicht nur das, was sie tut, sondern sie liebt den Tafelberg. Das glaube ich ganz fest. Vielleicht liebt sie ihn sogar mehr als ihren südafrikanischen Mann. Selten habe ich einen Guide mit einer Inbrunst über das Objekt der Begierde reden hören. Es war eine perfekte Mischung aus stichhaltigen Informationen, ihren eigenen Erfahrungen am Berg, über schlechtes Wetter und die schrägsten Kunden der letzten Jahre. Und dies zog sich durch die gesamte Tour. Binny ist fast jeden Tag irgendwo im Table Mountain National Park unterwegs und was tut sie, wenn sie frei hat?! Sie geht auf den Tafelberg! Fast schon verrückt!
Klettersteig aus Holz inbegriffen
Nach den ersten leichten Minuten wurde der Anstieg etwas steiler und ich war froh, dass ich mich trotz der Botanik für eine kurze Hose entschieden hatte – denn es wurde warm. Und auch meine Laufschuhe schienen ausreichend zu sein für das, was vor mir lag. Dennoch gibt es auf dem Trail Passagen, die mein Wanderherz höher schlagen ließen. Nachdem wir den Botanischen Garten hinter uns gelassen hatten, ging es in die schmale Schlucht hinein und hier hörte auf einmal jegliche Wegeführung auf. Im wahrsten Sinne des Wortes ging es über Stock und Stein, nämlich durch ein ausgetrocknetes Flussbett mit Geröll, riesigen Findlingen und für die komplett unpassierbaren Bereiche hatten die Ranger lange Holzleitern installiert, die man hochklettern musste. Das hier wurde also doch noch zum Abenteuer, das Adrenalin schoss mir durch die Adern und ich freute mich auf den Ausblick oben auf dem Berg: Denn den würde ich mir höchstpersönlich erkämpft haben!
Tafelberg rundum genossen
Als wir aus der Schlucht emporstiegen, hatte sich die Flora um uns herum verändert. Es war trockener und Fynbos regierte das Erdreich. Wir hatten schon ein gutes Stück hinter uns gelassen und schauten noch immer Richtung Osten – konnten aber das Meer schon erahnen. Und nun verstand ich, warum Binny mir die „Skeleton Gorge“ empfohlen hatte. Wir wanderten quasi um den Tafelberg herum und bekamen all seine Seiten zu sehen, die vollkommen unterschiedlich waren!
Es wurde noch wärmer und ganz unanstrengend war es nicht… Und bevor wir das Plateau erreichten, haute es mich noch einmal anständig aus den Latschen. Oben auf dem Berg standen wir auf einmal vor einem großen Staudamm, vorgelagert eine Ebene aus Sand. Feinster Strandsand, wie unten an der Camps Bay. Verrückte Natur, immer wieder für eine Überraschung gut.
Nachdem wir uns in der Sonne mit Binnys leckeren Snacks gestärkt hatten, traten wir die letzte Etappe an und standen schließlich am „Maclears Beacon“ – dem höchsten Punkt des Tafelberges. Dieser Punkt ist unbeschreiblich: Da steht man, auf dem Dach des Wahrzeichens einer der wohl schönsten Städte der Welt, und hat einen 360 Grad Panoramablick. Da sah man Robben Island, dessen traurige Geschichte durch die lange Inhaftierung Nelson Mandelas weltweit bekannt ist. Man sieht den „Lion’s Head“, Jogging-Strecke der Cape Towner. Dort stand das Stadion der WM 2010, das seitdem nicht mehr genutzt wird. Der Atlantik zeigte sich von seiner besten Seite und ich genoss den Ausblick und den Stolz, dass ich mir eben diesen Ausblick redlich verdient hatte. Stundenlang hätte ich dort sitzen können, doch auch Binny hat ein Anrecht auf einen anständigen Feierabend.
Gipfelgefühl trotz Touristen
Gefühlte 500 Fotos später bewegten wir uns also Richtung Seilbahn. Und allerspätestens jetzt wusste ich: Alles richtig gemacht! Wer glaubt, Chinesen und Japaner gäbe es nur in China und Japan, weit gefehlt! Die sind alle auf dem Tafelberg. Es wimmelte von Touristen, es war voll und es war eben typisch touristisch. Und es war nicht das, was wir vorab haben erleben dürfen: Den Tafelberg von seiner schönsten Seite bzw. seinen schönsten Seiten. Wer mit der Seilbahn auf den Tafelberg fährt, der hat definitiv auch einen atemberaubenden Ausblick. Und auch dann sollte man mindestens bis zum „Maclears Beacon“ laufen, was – da ebenerdig – gut und einfach machbar ist. Immerhin läuft man am Rande des Plateaus, ein irres Gefühl. Doch wer die Zeit und die körperliche Fitness hat, dem lege ich einen Hiking Trail ans Herz. Das Gefühl, sich den Ausblick selbst erarbeitet zu haben, ist wunderschön und die Ausblicke und Einblicke, die man mitnimmt, sicherlich wertvoller als die einfache Auffahrt mit der Seilbahn.
Und was das tollste am Tag war: Den dicken, fetten Cheeseburger in der Stadt habe ich mit reinem Gewissen vernichtet!
Toll geschrieben, danke – ich darf doch teilen. Morgen werden wir eine neue Geschichte zum Tafelberg schreiben, aber psst – noch geheim.
Hallo Chris! Danke für deinen Kommentar! Wo können wir neugierigen Menschen die neue Geschichte über den Tafelberg denn finden?
Hallo Barbara, toller Bericht, tolle Bilder. Wir waren zum Two Oceans Marathon und Half Marathon in Kapstadt.
Ein paar Tage nach dem Lauf ging es zu Fuß auf den Tafelberg und durch die Skeleton Schlucht wieder herunter nach Kirstenbosch. Das sind Erlebnisse, die noch lange nachhallen.
Gruß von Günter
Hallo Günter! Oh wow, seid ihr den Two Oceans Marathon bzw. Half Marathon etwa mitgelaufen? Vor zwei Jahren habe ich einige Leute getroffen, die angetreten sind: Respekt! Der Wahnsinn!
Und danach dann noch auf den Tafelberg – da weiß man in der Tat, was man getan hat! Aber es ist es allemal wert, keine Frage!
Beste Grüße
Barbara
Da muss man die Augen schon sehr verschließen wenn man nach Kapstadt fliegt. Den Tafelberg sieht man beim Anflug nur in der Ferne. Viel näher liegen, weil direkt unter dem Flugzeug, die Siedlungen der Schwarzen. Denen kann man beim Anflug direkt die Töpfe gucken .Und die sind wahrlich nicht voll. Kapstadt ist in seiner weiten Ausdehnung eine Stadt der Schwarzen. Die Weißen und ihre Touristen treffen sich dann in ihren Reservaten Campsbay und Kirstenbosch.
Die wirkliche Welt ist oft viel größer als man denken möchte.
Augen auf!
Hallo lieber W. Herrmann,
vielen Dank für Ihren Beitrag. Natürlich ist in einem Land wie Südafrika nicht nur alles positiv und optimal – das ist es sicherlich nirgends auf der Welt und die Armut in einem Land wie Südafrika viel ausgeprägter als bei uns.
Aus beruflichen Gründen bin ich sehr regelmäßig in der Mother City und habe Anflüge auf die Stadt erlebt, bei denen der Tafelberg zum Greifen nah war – dann wiederum gab es andere, bei denen ich den Tafelberg nirgends entdecken konnte. Sicherlich kommt es darauf an, aus welcher Richtung der Flieger kommt, welche Landebahn angeflogen wird, was der Tower für Anweisungen gibt etc. Aber in der Tat war der Berg hin und wieder ziemlich nah zu sehen. Oft habe ich, wie von Ihnen geschrieben, die Townships unter mir gesehen – und auch oft neben direkt mir, denn wie gesagt verbringe ich recht viel Zeit im Jahr in Südafrika.
Ich denke, dass das Land sehr viel zu bieten hat, sich in den letzten Jahrzehnten positiv entwickelt, aber es dennoch natürlich viel „room for improvement“ gibt. Alles in allem denke ich, dass das Land und auch Kapstadt eine Reise wert sind.
Beste Grüße
Barbara Freund