Es gibt inzwischen viele schöne Projekte und Initiativen, die verschiedene Facetten des barrierefreien Reisens beleuchten und dafür sorgen, dass der Trend langsam, aber eindeutig in die positive Richtung schreitet. Die Angebote für barrierefreie Reisen steigen – mich als reisebegeisterte Rollstuhlfahrerin freut das ungemein. Aber von barrierefreien und rollstuhlgerechten Angeboten profitieren nicht nur mobilitätseingeschränkte Menschen. Barrierefreiheit dient Familien mit Kinderwägen oder schwerem Gepäck, Schwangeren, älteren Mitbürgern, Sehbehinderten, Blinden, gehörlosen und motorisch eingeschränkten Menschen. Ganz gleich ob mit oder ohne Behinderung, wir alle haben das Bedürfnis nach Erholung. Urlaub in den Bergen, Camping am See, Badeurlaub am Meer oder ein kultureller Städtetrip, all das sollte für jeden reiselustigen Menschen auch ohne Hindernisse möglich sein.
Barrierefreies Reisen – Planung ist die halbe Miete
Eine gute Vorbereitung ist unabdingbar und kann die Anzahl der unerwünschten Überraschungen auf einer Reise erheblich reduzieren. Es gilt das richtige Transportmittel zu wählen, entsprechende Hilfeleistungen anzumelden, eine behindertengerechte Unterkunft zu finden und barrierefreie Freizeitaktivitäten, Restaurants und andere Unterhaltungsmöglichkeiten ausfindig zu machen. Das bedarf viel Zeit und Muße und einer guten Recherche. Mittlerweile gibt es einige Veranstalter und Reisebüros, die sich auf barrierefreie Reisen spezialisiert haben und dir bei der Planung gerne helfen.
Zwei Dinge, die ich unterwegs immer dabei habe: den „Euroschlüssel” und mein Handy mit der „Wheelmap” App. Das einheitliche Schließsystem ermöglicht kostenlosen Zugang zu öffentlichen behindertengerechten Sanitäranlagen. Europaweit sind damit mittlerweile schon über 12000 Schlösser zu öffnen. Um diese und andere rollstuhlgerechte Orte und WCs zu finden, nutze ich die App Wheelmap, die mir die Suche in fremden Städten erleichtert.
Barrierefreies Reisen – die richtige Unterkunft
Für die Auswahl einer behindertengerechten Unterkunft spielt das Bad eine große Rolle. Obwohl man online schon viele Informationen zu Barrierefreiheit abrufen kann, verlasse ich mich nie darauf und sichere mich meist doppelt ab, indem ich mit der gewünschten Unterkunft telefonisch oder via Email Kontakt aufnehme. Unter dem Begriff Barrierefreiheit darf man nicht gleich rollstuhlgerecht verstehen. Das Mindestmaß an Anforderungen für meine Bedürfnisse sind ein barrierefreier Zugang mit maximal einer kleinen Stufe, eine ebenerdige Dusche mit Sitz und eine Toilette mit Haltegriffen. Gebucht wird immer erst nachdem mir meine Anforderungen auch bestätigt wurden.
Barrierefreies Reisen – mit der Bahn
Bahn fahren ist umweltfreundlich und für Menschen, die ein B im Schwerbehindertenausweis haben, oft auch kostengünstig, da die Begleitperson auf allen Fahrten unentgeltlich mitfahren darf.
Außerdem gilt für schwerbehinderte Menschen, die ein Beiblatt mit gültiger Wertmarke haben, Freifahrt im Öffentlichen Personennahverkehr. Die Wertmarke erhält man mit den Merkzeichen BI oder H kostenlos beim Versorgungsamt. Wer ein G, aG oder Gl im Ausweis hat, kann die Wertmarke für 80€ im Jahr erwerben. Für den Fernverkehr gelten nur die regulären Zugtickets.
Mobilitätsservice online buchen
Vor Ticketkauf empfehle ich allen Menschen, die auf einer Bahnreise Hilfe benötigen, den Mobilitätsservice der DB zu buchen. Erst nachdem eine Hilfe angemeldet und auch bestätigt wurde, kann man sicher gehen, dass Mitarbeiter vor Ort zur Verfügung stehen, die beim Ein-, Um- oder Aussteigen behilflich sind.
Der Mobilitätsservice sowie die Sitzplatzreservierung für Rollstuhlfahrer und deren Begleitperson sind kostenlos. Am besten bucht man mit Hilfe dieses Online-Formulars den gewünschten Dienst bis spätestens einen Tag vor Abreise (bis 20 Uhr), es gilt jedoch: je früher desto besser. Sollten bereits ein oder mehrere Rollstuhlfahrer (je nach Kapazität des Zuges) auf einer Strecke angemeldet sein und/oder nicht genügend Zugpersonal zur Verfügung stehen, kann es durchaus vorkommen, dass die gewünschte Hilfeleistung nicht erbracht werden kann.
Bisher sind nur wenige Züge im Fernverkehr mit fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen versehen. Um einen bodengleichen Einstieg für Rollstuhlfahrer zu ermöglichen, benötigt man den Einsatz des Hubliftes, der ausschließlich vom Bahnpersonal bedient werden darf. Spontane Fahrten sind daher leider nicht möglich. Um Risiken im Ablauf einer Bahnreise zu minimieren, buche ich, wenn möglich, Direktverbindungen und plane genügend Zeit für die Anreise und ggf. Umstiege ein.
Bahn fahren sollte heutzutage auch mit Mobilitätseinschränkung unproblematisch sein, bereitet mir persönlich und vielen anderen Rollstuhlfahrern in der Praxis leider noch erhebliche Probleme. Dafür ist nicht immer der Mobilitätsservice verantwortlich, meistens sind es nicht funktionierende Aufzüge an den Bahnhöfen, die das Betreten oder Verlassen eines Gleises unmöglich machen.
Barrierefreies Reisen – mit dem Bus
Eine Busreise habe ich aufgrund fehlender barrierefreier Ausstattung noch nie unternommen. Für Rollstuhlfahrer ist eine Fahrt mit den allermeisten Fernbussen unmöglich, da sie weder über barrierefreie Zugänge, noch über Rollstuhl-Stellplätze verfügen.
Innerhalb eines Urlaubsortes oder auch zu Hause fahre ich gerne mit sog. Niederflurbussen. Der Einstieg ist oft unproblematisch, da mögliche Höhenunterschiede zwischen Bus und Straßenrand durch ausklappbare Rampen überwunden werden können. Dazu bedarf es dann nur noch einem netten Busfahrer/in oder hilfsbereiten Mitreisenden.
Barrierefreies Reisen – mit dem Flugzeug
Fliegen: immer wieder aufregend und für mich eines der schönsten und komfortabelsten Transportmittel. Obwohl der Aufenthalt an Bord aufgrund der räumlichen Situationen und der nicht barrierefreien Toiletten, insbesondere für Rollstuhlfahrer, durchaus seine Tücken hat.
Das allerwichtigste ist eine rechtzeitige telefonische Anmeldung des Hilfsmittels und der gewünschten Serviceleistung, d.h. mindestens 48h vor Abflug. Auch wer normalerweise ohne fremde Hilfe mobil ist, sollte daran denken, dass an Flughäfen oft lange Strecken zurückgelegt werden müssen und wenn ein Flugzeug eine Außenposition einnimmt, man mitunter nur über Treppen und/oder einen Niederflurbus zum Einstieg gelangt. Es gibt international geltende Abkürzungen, die dir helfen sollen eine realistische Einschätzung deiner Restmobilität anzugeben:
- WCHR: Passagier kann kurze Wege gehen und auch Treppen steigen
- WCHS: Passagier kann kurze Wege laufen, aber keine Treppen steigen
- WCHC: Passagier kann weder selbständig laufen noch Treppen steigen
Außerdem wichtig zur Anmeldung eines Hilfsmittels (Beispiel Rollstuhl): die Maße und das ungefähre Gewicht. Bei Elektrorollstühlen ist es notwendig, dass man die Batterien herausnehmen oder abtrennen kann. Lithium-Ionen-Akkus müssen mit an Bord genommen werden, Nassbatterien werden nicht befördert.
Den eigenen Rollstuhl gibt man spätestens vor der Flugzeugtür ab, begibt sich in die Hände des Bodenpersonals und übergibt den Rollstuhl an die Herrschaften, die das Sperrgepäck verladen.
Achtet darauf, dass euer Rollstuhl ein Schild mit der Aufschrift „Delivery at aircraft“ bekommt, damit er nach der Landung wieder vor die Flugzeugtür gebracht wird. Außerdem empfehle ich, lose oder empfindliche Teile eures Rollstuhls, wie beispielsweise Joystick oder Sitzkissen, mit an Bord zu nehmen.
Das Flughafenpersonal hilft beim Umsetzen auf einen Transfer-Rollstuhl, der schmal genug ist, um zwischen die Sitzreihen zu passen. Damit wird man dann bis zum Sitzplatz begleitet und auf Wunsch bis auf den eigenen Sitz gehoben. Bei vielen Airlines sitzen Rollstuhlfahrer am Fenster, um im Bedarfs- oder Notfall niemandem im Weg zu sitzen.
Wie gehen Rollstuhlfahrer an Bord zur Toilette?
Wie ich im Flugzeug auf die Toilette gehe, ist tatsächlich die mir am häufigsten gestellte Frage zum Thema Fliegen. Es ist in der Tat auch für mich das schwierigste Hindernis auf einer Flugreise. Auf Kurzstrecken, ich bin ehrlich, versuche ich auf einen Toilettengang komplett zu verzichten. Wenn ich vor Abflug nichts mehr trinke und nochmal am Gate zur Toilette gehe, kann ich meist ohne Probleme zwei bis drei Stunden darauf verzichten. Zur Sicherheit lasse ich mir jedoch bei jedem Flug einen Sitzplatz in der Nähe der Bordtoilette zuweisen.
Auf Langstreckenflügen lassen sich Toilettengänge nicht vermeiden, hier trinke ich immer ausreichend. Mit einem Bordrollstuhl komme ich von meinem Sitz bis zur Toilette, das Umsetzen schaffe ich nur mit Hilfe meiner Begleitung. Flugbegleiterinnen ist es meist untersagt euch auf den Bordrollstuhl oder beim Transfer in die Toilette zu helfen. Bisweilen waren sie dennoch immer sehr hilfsbereit und unterstützend tätig, in dem sie uns Sichtschutz mit Hilfe eines Vorhangs gaben oder uns zu einer etwas größeren Toilette in der Business Class begleitet haben. Wer beim Umsetzen Schwierigkeiten sieht, muss sich am besten mit Inkontinenz-Hilfsmitteln vertraut machen.
Viele scheuen sich davor, sich selbst oder ihren Rollstuhl, in die Obhut anderer zu (be-)geben. Man muss sich wirklich darauf einlassen, auf andere angewiesen zu sein, anders geht es beim Fliegen einfach nicht. Man darf sich gerne darauf verlassen, dass man beim Fliegen und Reisen generell auf viele nette und hilfsbereite Menschen trifft, die einem helfen, mögliche Hürden zu überwinden.