Von Christoph Wagner, dem langjährigen Chefredakteur der österreichischen Ausgabe des Gault Millau, stammt der schöne Satz: „Es muß nicht immer Hamburger sein: Auch Austern sind Fast Food!“ Recht hat der Mann. Besonders in der Bretagne. Jedenfalls lernt man regionale Küche nicht nur in ortsbekannten Slow-Food-Restaurants kennen. Und schlemmen kann man nicht nur in Gourmet-Tempeln. Street Food kann Multikulti für den Magen des Reisenden sein. Jedenfalls, wenn er die Niederlassungen der internationalen Burger- und Kaffee-Ketten und deren immer gleichen Gerichte meidet.
Ich gestehe: Ich bin ein Standl-Gourmet. „Zeig mir deine Wurst, und ich sage dir wo du bist!“ Zwischen Moskau und New York, zwischen Island und Israel sind mir lokale Würstelbrater und Falafel-Griller zuverlässige Wegweiser und Ortsschilder. Die – wie man hört – vorzüglichen Suppenküchen Asiens sind mir noch nicht wirklich vertraut; ein weites Feld, das der Erforschung noch harrt. Aber dieser Blog wird seine Leser wohl auch unter den Asien-Reisenden finden und für Tipps und Hinweise, wo man in Peking die beste Pak-Choi-Suppe und in Dehli das beste Namkin erhält, bin ich immer dankbar.
Bei Durchsicht meiner Fotokiste ist mir einmal mehr bewusst geworden, dass ich kein Food-Pornograf bin. Ihr wisst, was ich meine: jene Zeitgenossen, die vor dem ersten Biss immer ihr Smartphone oder ihre Reisekamera zücken und auf den Teller zielen. Das ist mir vor ein paar Wochen sogar im seeligfeinen Tantris passiert: da packen am Nebentisch zwei klunkerbehangene mittelalte Amerikanerinnen asiatischer Herkunft vor jedem Gang ihre strassbesetzten Smartphones aus und machen Food Porn. Solche Bilder sind in meinem Datenspeicher rar. Trotzdem hab ich ein paar Erinnerungen gefunden, die als Einstieg in eine Tipp-Liste „Wo gibt es das beste landestypische Street Food?“ taugen können. Mal sehen …
Fast Food in Franken heißt: Zwaa-in-am-weggla
Ich bin Franke. Deshalb muss sich jede Street-Food-Variante mit dem fränkischen Klassiker messen: mit „Zwaa-in-am-weggla“, zwei fränkischen Bratwürsten in einem Brötchen, einer Semmel, einem Rundstück, einer Schrippe oder besser noch „auf Kraut“. Die besten „Eizwiggde“ gibt es übrigens nicht in Nürnberg, sondern in der häufig verkannten Siemens-Stadt Erlangen, genauer beim Metzger Brunner in der Vierzigmannstraße 11 oder in einer seiner Filialen. Und wenn man schon mal da ist, könnte man noch einen Abstecher ins nahe Eggolsheim machen, zur einzigen wirklich relevanten deutschen Whisky-Brennerei. Robert Fleischmann brennt hier die „Blaue Maus“. Slainthe!
Bayerisches Fast Food: die Weißwurst
Auch in München gibt es eine lokale Wurstspezialität, die der Reisende als Street Food an jeder Straßenecke testen kann: die Weißwurst. Aber lohnt sich das wirklich? Nein sagt der Franke. Sagte ich schon, dass ich Franke bin? Aber deshalb muss man München keinesfalls meiden. Denn auch hier gibt es am Viktualienmarkt einen Stand mit ganz hervorragenden fränkischen Bratwürsten, den Schlemmermeyer. Einfach zum Pfister durchfragen und dann immer dem würzigen Bratwurstgeruch nach.
Wiener Klassiker: Fast Food nach der Oper
Auch Wien ist für seine Würstelbeisser berühmt. Und berüchtigt. Der berühmteste Stand – der Bitzinger neben der Oper. Nach dem Opernball fallen hier die befrackten Pinguine ein und goutieren Burenhaut oder eine Eitrige, deren hervorquellendes Gedärm sich besonders gut auf dem Ballkleid macht. Zur Glückseligkeit fehlt nur ein 16er Blech, also ein Ottakringer Bier aus der Dose. Das gibt’s aber natürlich im Würstelprater. Soviel Narrenfreiheit muss sein.
Berliner Fast Food ist weltbekannt
In Berlin gibt es Streetfood aus der ganzen Welt. Der lokale Favorit aber ist natürlich die Currywurst. Und die muss durchaus nicht von Konnopke sein. Sollen sich in der Schönhauser Allee die Reiseführer-Fuzzis in die lange Schlange stellen. Mein Geheimtipp für eine mehr als ordentliche Currywurst führt in den alten Westen der Stadt, zum Bier`s Kudamm 195. Das ist gleich um’s Eck vom ebenfalls empfehlenswerten Hotel Bleibtreu. Und die Currywurst schmeckte dort schon, als West-Berlin noch eine Insel war.
Fast Food-Eldorado im Osten
Polen ist ein Eldorado für Freunde der bodenständigen und schmackhaften Straßenküche. In den Milchbars aus der Zeit des realen Sozialismus und in zahlreichen kleinen Bars und Kneipen gibt es wunderbare Piroggen, kleine Teigtaschen mit allen möglichen fleischigen, fischigen und gemüsigen Innereien gefüllt. Noch nie Piroggen mit Kraut und Pilzen gegessen? Dann wird es Zeit für eine Reise zu den Polen – ohne Scott und Amundsen.
In Lettland gibt es bodenständiges Fast Food
Weiter ostwärts gelangt man ins Baltikum. Die Straßenküche ist hier bodenständiger, bäuerlicher, aber nicht minder schmackhaft: Gemüsesuppen, Graupensuppen, Milchsuppen, Brotsuppen. Lettland ist das Suppenparadies. Was auf den Stehtisch kommt sieht immer ein wenig aus, wie aus einem alten Breughel-Gemälde gefallen. Ganz wunderbar isst man in den Markthallen, die es noch in allen größeren Städten gibt. Den größten findet man natürlich in der Hauptstadt. Reisender, kommst du nach Riga, geh zum Essen auf den Zentralmarkt. In den alten und sehenswerten Zeppelin-Hallen – technische Baudenkmäler für alle Freunde des alten Eisens – bekommt man Fisch, frisch oder gedörrt und den dazu unbedingt notwendigen Wodka natürlich auch.
Das macht den Übergang zur nächsten Destination einfach:
Eisiges Fast Food in Moskau
Moskau ist wie Polen und Lettland plus Amerika, Italien und Frankreich. Moskau ist und war vor allem die Hauptstadt eines Vielvölkerstaats und so ist es kein Wunder, dass die Straßenküche vielfältig ist. Mein letzter Moskaubesuch fand im Winter statt. Es war einfach zu kalt für Imbissstände. Der Rote Platz war verschneit und vereist – was natürlich nur die halbe Wahrheit ist, denn während der Verkehr in New York schon mit den ersten zarten Schneeflocken regelmäßig zusammenbricht, wird in Moskau geräumt, dass es eine Freude ist. Ehe der Schnee den Boden erreicht, wird er schon mit Lastwagen vor die Stadt gefahren. Es ist gar nicht so einfach im Moskauer Winter im Stadtzentrum Schnee und Eis zu finden. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn das beste Eis gibt es sommers wie winters im Kaufhaus GUM auf dem Roten Platz. Am besten den Stand am linken Nebeneingang direkt vom Platz nehmen und dann einfach hinten an der Schlange anstellen. Dann hat man auch ein wenig das Gefühl sich in der alten Sowjetunion zu befinden. Eine eisige Zeitreise.
In Island setzt man auf einheimisches Fast Food
Auch vom russischen Eis ins nördliche Island ist es thematisch nur ein kleiner Sprung. In Island ist der Fast-Food-Markt fest in isländischer Hand. Am Imbissstand gibt es Flatbrauð, einen Pfannkuchen aus Roggenmehl mit geräuchertem Lammfleisch oder ein Krabben-Sandwich mit ordentlich Mayonnaise drauf.
Es gibt aber natürlich auch Hotdogs, die besten an der Imbissbude Baejarins bestu unmittelbar am Hafen. Dort soll sogar schon Bill Clinton zu Gast gewesen sein. McDonalds hat übrigens vor der geballten Kompetenz der Wikinger aufgegeben. Seit 2009 gibt es auf der ganzen Insel kein „Ich liebe es“ mehr. Die Isländer sind so …
Ursprungsland der berühmtesten Fast-Food-Ketten
Und wieder ist ein Cliff Hanger geschafft: wir sind jetzt in den USA, im Mutter- und Vaterland der internationalen Fast-Food-Ketten. Dabei gibt es natürlich nicht nur in New York Streetfood aus der ganzen Welt. Im melting pot kommt alles zusammen: asiatische Suppenküche und italienische Pizzabäcker, polnische Piroggen und französische Crepes.
Dabei ist der Übergang vom Street Food am Stand zum Fast Food im Diner fließend. Dabei sollte man die diversen Tipps von Lonely Planet getrost ignorieren. Die jährlich wechselnden Insider-Tipps, in welchem Diner Woody Allen gerade regelmäßig frühstückt, sind ebenso unbrauchbar wie überflüssig. Gute Burger und schlechten Kaffee gibt es überall zu günstigen Preisen.
Fast Food auf italienisch
Italien ist kein Land für klassisches Fast Food. Aber natürlich schon für schnelles Essen. Denn Italien ist Nudelland und Nudeln gehen schnell. Und mit frischen Zutaten sind sie immer eine Sünde wert. Viel braucht es dazu ja nicht: ein paar sonnenreife Tomaten, Knoblauch und gutes Olivenöl genügen vollauf. Und danach ein vernünftiger Kaffee. In der Espresso-Bar versteht sich. Das geht überall, von Mailand bis hinunter nach Sizilien.
Italien ist das einzige Land, in dem ich nie und nirgends wirklich schlecht gegessen habe. Entsprechend fällt es schwer, einen konkreten Tipp zu geben. Eine Ausnahme will ich machen. Und die betrifft nicht Italien, sondern Sizilien, das kaum mehr zu Italien gehört, wie England zur EU. Falls Ihr jemals nach Syrakus kommt – und das solltet Ihr – dann geht auf den Mercato Di Siracusa. Sucht dort das Caseificio Borderi in der Via Emanuele de Benedectis. Wenn Ihr vor einem kleinen Laden mit wunderbarem Käse und Prosciutto steht und Ihr nicht zum Einkaufen kommt, weil der Patrone Euch ständig auffordert von hier und von da und von dort noch ein wenig zu probieren – dann seid Ihr richtig. Es gibt auch leckere Tramezzini. Probiert es: so schmeckt Italien. So schmeckt das Paradies.
Noch ausbaufähig: Fast Food in Griechenland
And now something completely different. Nein, nicht zu fish and chips, nicht auf die britischen Insel. Wir bleiben jetzt in der EU. Auf nach Griechenland. Griechenland ist wunderschön und die Menschen sind phantastisch. Aber die Kulinarik ist irgendwo anders. Es gibt alles, was man vom Grill kratzen kann. Und mit ordentlich viel Zitronensaft drüber bekommt es auch ein wenig Geschmack, keinen verführerischen, aber immerhin. Im Ernst: Zum Essen kommt man nicht nach Griechenland. Dabei gibt es in allen Gärten tolle Gemüse und in den privaten Küchen feine Gewürze. Ich weiß nur nicht, warum sie keinen Eingang in die einfache Küche der Tavernen und in den griechischen Street Food gefunden haben.
Macht aber alles nix, denn es gibt einen Berufszweig, der in Griechenland auf dem Festland und auf den Inseln der Hellenen Weltrang erreicht hat: das Konditorengewerbe. Griechenland ist das Land der süßen Sauereien. Man kann sich ganz wunderbar ernähren, wenn man mit dem Dessert anfängt, danach ein kleines Dessert nimmt und das Ganze mit einem Dessert abrundet. Mein Favorit aus Kreta: Kataifi, Engelshaar, eine Sünde in süß. Vermutlich trägt es deshalb auch seinen Namen: „ka taifi“ – kein Teufel kann ihm widerstehen, dem Engelshaar. Das beste Kataifi macht Georgos Xatziparasxos mitten in der Altstadt von Rethymon. Und das schon seit 1967.
Und das reicht dann auch für heute. Ich wüsste noch einige besuchenswerte Crêperien in Paris, in der Bretagne, im Bordeaulais, in der Provence, im Elsass, in … aber regionales Street Food ist ein unendliches Thema für einen endlichen Blog. Aber welcher Blog ist unendlich? Aber für Tipps bin ich immer dankbar. Nur her damit. Kommentarleisten sind unendlich.
Bei meinem letzten USA-Besuch war ich in Philadelphia. Und dort im Reading Terminal Market: ca. 80 Markt- und Essensstände unter einem Dach. Absolute Pflicht. Am besten zu „Carmen’s Famous Italian Hoagies & Cheesesteaks“ und das Philly Cheesesteak essen. Hammer!
Und wer nach Sizilien fährt muss Aranchine essen und zwar die mit Ragout. Dabei handelt es sich um einen Knödel-großen frittierten Ball aus Reis, gefüllt mit eben Ragout. Wahnsinnig gut und perfekt für auf die Hand!