Als begeisterte Skifahrerin und bekennender Norwegen-Fan drängte sich mir irgendwann die Frage auf: Wieso bin ich noch nie in Norwegen, der Wiege des Skisports, auf zwei Brettern gestanden? Aus der Frage wurde eine fixe Idee, aus der ersten Reise dorthin ein Ritual: Ich beschließe meine Wintersaison seither immer mit ein paar Skitagen in Norwegen. Man mag den Kopf schütteln, erreiche ich doch von meinem Heimatort München aus in ein paar Autostunden große, renommierte Skigebiete in den Alpen. Dort erwarten einen unzählige Pistenkilometer, effektive, super komfortable Bergbahnen, gigantische Skischaukeln und Party ohne Ende.
Skifahren: Ruhe in Norwegens Skigebiete
Wieso ich ein Flugticket in den hohen Norden buche? Weil ich in den vergleichsweise kleinen Skigebieten dort etwas vorfinde, das unbezahlbar ist: Ruhe. So gesehen sind meine Skireisen nach Norwegen auch eine Art Flucht. Raus aus dem Zirkus! Zurück zum Ursprung. Komfort ist nämlich nicht alles und eine Fahrt in einem langen Schlepplift mitunter die reinste Wohltat. Ich muss meinen Hintern nicht auf gepolsterten und beheizten Sitzen von Sesselliften wärmen lassen. Darf man im Winter denn nicht mehr frieren müssen? Definiert sich ein genialer Skitag über die Zahl der zur Verfügung stehenden Liftanlagen oder möglichst viele absolvierte Pistenkilometer? Meine Interpretation von Schneevergnügen ist nach vielen Jahren auf Ski längst eine andere.
Rasantes Abfahren auf menschenleeren Pisten in Myrkdalen und Trysil
Zwei Autostunden von Bergen liegt Myrkdalen, ein kleines, feines Skigebiet. Hier stehe ich an einem Wochentag Anfang April mehr oder weniger alleine auf einer der 21 ausgewiesenen Pisten und spüre nach vielen Jahren erstmals wieder, wie es sich anfühlt, so richtig Platz zu haben. Menschenleere, aber bestens präparierte Pisten erlauben mir rasante, schnelle Abfahrten. In den Alpen wird man – so ehrlich muss man sein – oft ausgebremst. Der Andrang ist dort einfach größer. Schnelle Lifte bringen schließlich viele Skitouristen ins Gebiet.
Skigebiete Norwegen: effektiv Skifahren ohne Liftchaos
In Norwegen ist das anders, gemütlicher, überschaubarer und gerade deshalb höchst sportiv. Null Wartezeiten an den Liften – da wird das Skifahren richtig effektiv. Wieso das so ist? Der Norweger an sich geht schon ab und an mal alpin zum Skifahren, seiner eigentlichen Passion aber kommt er in der Loipe nach. Auch in Trysil – es liegt zwei Autostunden nordöstlich von Oslo – genieße ich auf einer meiner Skireisen nach Norwegen sagenhaft freie Pisten. Und das, obwohl Trysils 31 Lifte und 66 ausgewiesene Abfahrten das größte Skigebiet Norwegens erschließen.
Weißes Gold: Auf einem Naturschneeteppich talwärts Skifahren
Natürlich sind auch der Schnee und seine Qualität ein Thema. Das Medium, auf das wir alle abfahren, ist uns in den letzten Jahren in seiner Urform im Alpenraum gelinde gesagt etwas abhanden gekommen. Erst in Norwegen spüre ich wieder, was es bedeutet, nicht auf künstlich beschneiten Pisten Ski zu fahren, sondern auf Naturschnee talwärts zu rauschen. Das Gefühl beim Fahren ist ein völlig anderes. Auf einem Naturschneeteppich fährt es sich einfach leichter, griffiger und mit weniger Kantendruck. Entspannter, besser eben!
Was das weiße Gold betrifft, ist Norwegen gesegnet und so gesehen ein einziges Schneeloch. Zwischen der fjordzerklüfteten Westküste und dem Landesinneren bauen sich in den Wintermonaten permanente Fronten auf, die sich über reichlich Niederschlag an den Wetterscheiden entladen. Während meiner Woche in Myrkdalen schneit es im Frühjahr täglich. Zwei, drei Stunden nur, dann klart der Himmel wieder auf. Die Pisten erneuern sich so täglich selbst. Das Ergebnis im April: Sagenhafte fünf Meter Schnee! Ganz langsam und noch einmal deutlich: Fünf Meter Schnee Anfang April!
Sanfte Skigebiete: Trysil ist ein Paradies für Familien
Auch in Trysil erlebe ich ähnlich tolle Bedingungen. Man muss sich das einmal vorstellen: Im Frühling liegen da – und es war für norwegische Verhältnisse kein wirklich guter Winter – zwei Meter Schnee im Skigebiet. In dieser Zeit kann man in den Alpen, wenn überhaupt, noch auf Pisten jenseits der Dreitausender-Grenze auf Naturschnee Skifahren.
Es mag mitunter für Alpenländer geradezu lächerlich klingen, ist es aber nicht: die Gipfel der Skiberge Norwegens erreichen im Schnitt kaum mehr als 1.500 Meter Höhe. Sie sind von Natur aus weniger schroff, viel sanfter und runder geformt und daher auch ein Skiparadies für Familien. Allerdings bilden sie auch ein Eldorado für Freerider und Tourengeher. Vor allem dann, wenn man noch kein ausgewiesener Experte ist, der sich auch Steilwände hinabzustürzen wagt.
Sauna, Bummeln und historische Eisenbahn anstatt Après-Ski
Es mag am Alter liegen, aber nicht nur: ich persönlich kann Après-Ski wenig abgewinnen. In klobigen Skischuhen zu feiern, ist mir schlicht zu unbequem. Außerdem: Alkohol auf Pisten hat nicht selten betrunkene Skifahrer zur Folge. Da hört der Spaß dann auf, wenn man wie ich einmal von einem Partytouristen umgefahren und direkt in den OP-Saal befördert wurde. In Norwegen ist das ausgeschlossen. Alkohol wird auf Hütten in der Regel gar nicht erst ausgeschenkt. Ein paar Ausnahmen gibt es freilich schon, allerdings ist Hochprozentiges dann derart teuer, dass man sich davon maximal ein, zwei Gläser gönnen will (oder kann).
Wie ich mein ganz persönliches Après-Ski in Norwegen gestalte? Mit Saunagängen im Hotel, einem ausgedehnten Bummel durch den Ort oder einer entspannten Langlaufrunde im Wald. In Myrkdalen nutze ich einmal die günstige Lage und machte auf der Piste früher Schluss. Eine knappe Autostunde entfernt liegt nämlich der kleine Ort Flåm mit seinem berühmten Bahnhof, von welchem aus die historische Flåmsbahn auf einer 20 Kilometer langen Fahrt nach Myrdal tuckert und dabei 875 Höhenmeter überwindet. Sie gilt als eine der Touristenattraktionen in Norwegen und ist daher auch für mich ein Muss. Während am Bahnhof schon der Frühling Einzug hält, stehe ich, am höchsten Punkt der kurzweiligen Bahnreise angekommen, wieder einmal knietief im Schnee.
Norwegen kulinarisch: Pizza mit Elchfleisch und Preiselbeeren gefällig?
(M)ein letztes Argument für Norwegen: Ihr habt Gerichte wie Spaghetti Bolognese und Grillwürstel mit Pommes auf Hütten schon lange satt? Wie wäre es mit einer Pizza, etwas Rucola darauf, hauchdünn belegt mit Elchfleisch, Crème Fraîche dazu und etwas Preiselbeermarmelade on top? Ich jedenfalls plane bereits meinen nächsten Norwegen-Winter-Trip, dieses Mal in die Region Lillehammer. Dort werde ich in Kvitfjell meine Saison beenden.